Interview Carl-Frank Westermann

Carl-Frank Westermann war von 2000 bis 2011 als Creative Director bei der Berliner Branding Agentur MetaDesign für Großkunden zuständig.
Heute ist er Inhaber von WESOUND, einer Agentur für Auditive Markenentwicklung.
Das frühere Mitglied der deutschen Band Fehlfarben ist zudem einer der Initiatoren des Masterstudiengangs „Sound Studies“ an der Universität der Künste Berlin.

Welchen Stellenwert haben Geräusche für Sie im täglichen Leben?

Sicherlich unbewusst den gleichen Stellenwert wie für alle Menschen mit funktionierendem Gehör. Geräusche helfen mir den Alltag zu bewältigen – mich zu orientieren.

Was ist Ihr Lieblingsgeräusch und warum?

Das Knirschen der eigenen Fußstapfen auf dichtem Schneeuntergrund. Feedback pur, in einer die Stadt verändernden, angenehm gedämpften Akustik.

Welches Geräusch erinnert Sie an Ihre Kindheit? Was verbinden Sie damit?

Das Klick-Geräusch, welches im Umgang mit Hockeyschläger und Ball in seiner ganzen Vielfalt entsteht. Diese Klicks höre ich, dazu das Bild von satten Hockey-Rasenplätzen, deren Geruch, ein in der Erinnerung wunderbares multisensorisches Erlebnis.

Welches verschwindende Geräusch sollte konserviert werden und warum?

Für mich sind es eben diese Alltagsgeräusche, die mich in meiner Jugend geprägt haben und mit denen ich positive Assoziationen verknüpfe – wie das sanfte Aufsetzen einer Plattenspielernadel auf Vinyl, das Rattern der Wählscheibe meines alten Telefons, das Aufsetzen eines Emaille-Eimers auf Steinboden oder das wohlige Klackern meiner Adler Schreibmaschine.

Welchen Sinn haben Sounddesign und Audiobranding?

Audiobranding oder Sound Branding, wie ich es nenne, ist für mich ein konzeptioneller Gestaltungsprozess, der Klang als orientierungsstiftende Facette ernst nimmt und damit Teil der Markenaura werden lässt. Das schließt das Sounddesign natürlich ein. Immer mit dem Anspruch, das akustische Auftreten einer Marke mit ihren individuellen strategischen Zielsetzungen zu synchronisieren und damit einen sinnstiftenden Beitrag zur Markenwahrnehmung als Ganzes zu leisten. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, Klang dort hinzuzufügen, wo es bisher keinen gab, sondern vielmehr die akustischen Elemente, die ohnehin zum Einsatz kommen, mit der Marke sinnvoll zu verknüpfen. Wenn dies gelingt, dient es dem konsistenten Gestalten des Markenerlebnisses. Auf diese Weise steigert Audiobranding das Markenguthaben.

 Sollte man Geräusche konservieren? Warum?

Geräusche sind ein essentieller Teil unseres Erlebens und damit auch unserer Kultur. Jeder Mensch konserviert ja im Laufe seines Lebens für sich Klänge und Klangumgebungen in seinen Erinnerungen, aber leider nur dort. Die Herausforderung besteht darin, Geräusche technisch so zu konservieren, dass sie nicht nur extrahiert, sondern auch in ihrem Bedeutungskontext erhalten werden. Denn es ist ein Unterschied, ob bestimmte Geräusche mit fokussierter Aufmerksamkeit gehört werden, oder eben Teil einer diffusen Klangumgebung sind und eher unbewusst auf die Wahrnehmung wirken.

Wie nehmen Sie den Wandel der Geräusche war?
Gibt es überhaupt einen Wandel, kann man ihn beschreiben?

Auf jeden Fall gibt es einen Wandel der Geräusche. Das hängt natürlich mit dem Entwickeln neuer Materialien, Technologien und auch mit der Architektur zusammen. Ein Beispiel: Das Auftreffen eines Fußballschuhs auf dem Ball beim Abstoß in einem Stadion: Das klang 1960 noch ganz anders als heute und hängt sowohl mit der Weiterentwicklung des Schuhs, mit dem Material des Balls und nicht zuletzt mit den baulichen Merkmalen eines modernen Fußball-Stadions zusammen – vielleicht auch ein wenig mit den heutigen Trainingsmethoden.

Die Veränderungen sind im urbanen Raum genau so zu spüren wie im privaten Umfeld – natürlich auch in meinem. Allerdings legt niemand einen Schalter um und alles ist neu, es ist ja eher ein schleichender Prozess.

Der Wandel der Geräusche ist eindeutig technologiegetrieben  –  oder klingelt Ihr Telefon heute noch mechanisch?

Kann man Rückschlüsse vom akustischen Wandel auf die Gesellschaft
bzw. deren Wandel ziehen? In wie weit beeinflussen sich akustischer
und Gesellschaftlicher Wandel?

Ja, da ist ein eindeutiger Zusammenhang. Unsere Welt ist heutzutage sehr bunt und vernetzt. Jeder ringt um Aufmerksamkeit. Dazu kommt, dass wir in einer Zeit leben, in der scheinbar mehr Wert auf ökologische Aspekte gelegt wird – was leider nicht zwingend die Klangökologie einschließt. Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen dem, was die Nutzung von Windkraft in einer Windmühle vor hundert Jahren für die Ohren bedeutete, als es heute moderne Windräder oder ganze Windparks tun.

Unsere Form der Mobilität und der Kommunikation ändert sich. Die Architektur gestaltet durch Flächen, Räume und Materialien zeitgemäße urbane Klangkörper.
All das ist natürlich auch hörbarer Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels.

Carl-Frank Westermann, Berlin, April 2013
 
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